Nun ist doch tatsächlich schon Ende März und ich bin schon eineinhalb Monate hier, also versuche ich mal zusammenzufassen was ich dem letzten Monat so erlebt habe:
Der erste offizielle Unitag hat schon einmal alle Erwartungen an die südamerikanische Organisation übertroffen: die Kurse fallen aus - wir sollen doch nächste Woche wiederkommen! So habe ich mir das doch vorgestellt :-) In dem Sinne geht es dann auch weiter. Keiner der Austauschstudenten hat die Kurse bekommen die er wollte und keiner ist dafür zuständig und/oder will sich darum kümmern und es wird rumgesponnen wir legen doch besser ein Urlaubssemester ein, wenn wir nicht die Kurse belegen können, die uns angerechnet werden. Doch das wäre wohl zu einfach…irgendwann lösen sich dann doch noch alle Probleme und wir können uns wieder anderen Sachen widmen. Z.B. besucht man hier mittwochs die „Miércoles-pó“, eine Studentenparty dessen wechselnde Location jede Woche bei Facebook bekannt gegeben wird. Das „pó“ wird hier in Chile übrigens gerne an allerlei Wörter drangehängt, am häufigsten hört man „si-pó“ was dann sowas wie einem Ja mit Ausrufezeichen entspricht. Generell gibt es hier unendlich viele chilenische Vokabeln: der Freund ist el pollolo nicht el novio (wichtige Vokalbel, da man hier danach doch häufiger gefragt wird...), die Party ist el carrete anstatt la fiesta, el copete anstatt la bebida für ein Getränk und nach jedem dritten Satz wird „cachai“ hinzugefügt, was sowas heißt wie „weißte?“. Die Vokabel gibt es aber garnicht und wird daher auch nicht konjugiert…
Vorletztes Wochenende wollte ich eigentlich mit meiner WG an den Strand fahren. Von dieser Idee sind wir aber durch die Tsunamiwarnungen aus Japan recht schnell abgekommen. Es ist ein ganz seltsames Gefühl und eine absolut andere Perspektive solche Ereignisse von einem anderen Kontinent zu beobachten…Jedenfalls sind wir an dem Abend kurzerhand „Terremoto“ trinken gegangen. Terremoto heißt Erdbeben und ist ein Getränk, bestehend aus einem Likör (Fernet), Weißwein und Ananaseis, das einen in der Tat umhaut. Dass man das an so einem Unglückstag trinkt finde ich etwas paradox, ist hier aber einfach so! Kleinere Erdbeben waren hier auch, ich habe sie jedoch garnicht bemerkt und hätte auch nichts davon erfahren wenn mich andere nicht gefragt hätten ob ich es mitbekommen habe, da die leichten Erdbeben hier nirgendswo erwähnt werden – sie gehören halt zum Alltag. Der Strandausflug findet dann am darauffolgenden Wochenende statt. Mit drei Vierradantrieb-Autos machen wir uns zu elft (7 aus meinem Haus und 4 Freunde) auf den Weg nach Puertecillo (ca. 200 km süd-westlich von Santiago). Nach etwa 2 Stunden Highway und Landstraße geht es auf der Schotterpiste weiter. Ich denke ich verstehe warum wir keine normalen Autos nehmen und als wir anhalten und ich denke, dass wir da sind erfahre ich, dass nun die gefährliche Strecke kommt. Im Schneckentempo und im 1. Gang geht es den Hang herunter – neben der Fahrbahn geht es nur hunderte von Metern in die Tiefe. Unten atme ich tief durch. Gut, dass ich vorher nicht so ganz genau wusste wie der Weg aussieht…Der Ort, wenn man ihn denn so nennen kann, ist traumhaft! Außer ein paar 4*4 Autos und Cabañas (Hütten) ist nichts als Berge, Strand und Meer zu sehen. Der Strand hier ist schwarz und die Wellen einige Meter hoch. Ein Geheimtipp und Surferparadies! Leider ist es nicht so warm, aber es trübt unsere Laune nicht und wir verbringen dennoch einen Tag am Strand, grillen und beobachten Wale und den anderen klettern wir zum naheliegenden Wasserfall und erholen uns auf einer ca. 5*6 Meter großen Insel im Becken unterhalb des Wasserfalls.
Zurück in Santiago wird dann auch mal ein wenig studiert. Ich schreibe in dieser Woche immerhin meinen zweiten Test auf Spanisch. Ich habe zwei englische Kurse und zwei spanische. Die englischen scheinen lachhaft zu sein und es ist klar, dass sie langweilig und wenig Arbeitsintensiv werden, wovon letzteres bewusst gewählt wurde. In einem haben wir eher Sorge, dass sich unser Englisch durch den extremen chilenischen Akzent der Professorin verschlechtert. Die spanischen Kurse sind anspruchsvoller, aber eigentlich auch nur weil die Sprachbarriere da ist. Der eine chilenische Professor versucht mich jedenfalls bestens zu integrieren, indem er regelmäßig (meist mitten im Satz) seine Vorträge unterbricht und mich fragt ob ich überhaupt weiß wovon er redet, chilenische Ausdrücke für mich erklären lässt, mich in der zweiten Stunde vor dem ganzen Kurs fragt ob ich denn einen „pollolo“ hätte und mich neulich zur Veranschaulichung von Kommunikationsproblemen nach vorne bittet…Auch wenn andere erzählen, dass es schwierig sei Kontakt zu chilenischen Studenten zu bekommen, empfinde ich das nicht so. Sie übersetzen mir von sich aus Wörter ins Englische wenn sie mal eins wissen, fragen mich ob ich mitkomme und ob ich verstanden habe was zum nächsten Mal zu tun ist. Bei meinem ersten Test schreibt meine Nachbarin erstmal von mir ab, da sie nichts gelesen hat und beglückwünscht mich danach zu meinem guten geschriebenen Spanisch und ist begeistert, dass ich die Verben sogar konjugiere (da haben sie mit anderen Austauschstudenten andere Erfahrungen gemacht). Somit bin ich zufrieden und ärgere mich nicht über mein geringes Vokabular oder die Schwierigkeiten mit den Vergangenheitszeiten. Stattdessen nehme ich mir vor mir mehr von den chilenischen Arbeitseinstellungen abzugucken: sprich einfach mal weniger zu tun! Leider ist jedoch die Anwesenheitspflicht ziemlich streng, was das Reisen etwas kompliziert macht. Für Ostern ist aber schon eine Woche im Süden fest geplant, auch wenn wir keine Ferien haben.
Alle meine Wochenenden beginnen Donnerstagsnachmittags, da ich die Kurse wohlbedacht gewählt habe. Somit sieht dieses z.B. so aus: Donnerstagabends ist Uniparty auf einem Hügel (Santa Lucia) und somit mit wunderbarer Sicht auf die Stadt; Freitag brunche ich im Garten und verbringe fast den ganzen Tag am Pool, abends geht es zu Freunden in deren Apartment im 19ten Stock um ein U2 Konzert aus der Nähe zu sehen, Samstagmorgens fahre ich mit Anne nach Valparaiso/Viña, zwei nebeneinanderliegende nette Städtchen an der Küste (Weltkulturerbe und Strand!), etwa 2 Stunden von hier. Spät abends erwartet mich meine WG mit einem Weinchen im Wohnzimmer und Sonntag verbringe ich den Vormittag in der Hängematte im Garten und fahre nachmittags mit Insa zu einer Shopping-Mall im amerikanischen Stil in Las Condes (dem reichen Stadtteil wo auch meine Uni ist) und esse dort zu Abend…
Diese Woche Mittwoch fahre ich wie sich heute spontan ergeben hat mit drei anderen Mädels aus der Uni in den Süden (etwas südlicher als Ostern geplant ist) um die Stadt Puerto Varas und die Inseln Chiloé zu besuchen und eventuell einen Bootstrip nach Bariloche in Argentinien zu machen!
Also kann ich wohl nicht leugnen, dass ich das Leben hier voll und ganz genieße :)
Un beso a todos
PS: Heute habe ich dann doch das erste Erdbeben gespürt – ganz leicht – aber seltsam wenn der Boden unter den Füßen wackelt…
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